von Jascha Feldhaus
In seinem neuen Band begibt sich Ferdinand von Schirach in eine erzählende Sachlichkeit. Auf der Suche nach Erinnerungen, die das Vergangene bewahren oder aussparen. Der Stille Freund wird zum Grat, auf dessen Seiten Wahrheit und Wirklichkeit selten gleichzeitig beschienen werden oder unmerklich.
Der stille Freund verbindet erzählende mit Sachtexten. Ferdinand von Schirach bewegt sich mit diesem Stück in die nächste, neue Form seines Œuvres, denn nach Regen – der als Monolog auf die Bühne kam – wird hier zwischen Realem und Reellem changiert. Im Zentrum stehen vergangene Ereignisse, die Erinnerung daran und das Vergessen oder wie sich die Erinnerung neu formiert oder nicht mehr existiert.
„Ich bin Schriftsteller, ich erzähle nur Geschichten“ wird zum anfänglichen Credo des Bandes. Dabei muss der Leser vorsichtig sein, denn wo die Linie zwischen Wahrheit und Wirklichkeit verläuft, bleibt oft verborgen. Mittels dieses Vorgehens werden dann aber doch unterschiedliche Texte erschaffen, die gerade in und durch ihre Nüchternheit bestechen. Uns begegnen neben Personen aus dem Leben des Erzählers auch bekannte Persönlichkeiten, wie Goethe oder Gottfried von Cramm, aber auch Geschehnisse um den 7. Oktober 2023.
Als Erzählband arrangieren sich die vierzehn Texte in einem ausgewogenen Miteinander, die einen Faden durch das Buch ziehen, der das Anfang mit dem Ende durchaus wieder verbindet. Das vorangestellte Wort Vladimir Nabokovs: „Ich gestehe, ich glaube nicht an die Zeit“, bekommt dadurch eine zusätzliche Bedeutung. Die Willkürlichkeit und der Zufall, die das Leben bringt, wie dies sich auf dasselbe auswirkt, wie Vergangenheit Gegenwart und Zukunft beeinflusst, wie Wahrheit entsteht und Wirklichkeit geschaffen wird, davon handelt dieser Band und der Autor versteht es, diesen großen Fragen nachzuspüren.

Ferdinand von Schirach: Der stille Freund
Luchterhand 2025
176 Seiten / 22 Euro
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Foto: ddzphoto / pixabay
