Narben im Sand – Svenja Leiber: Kazimira

„[…] wein, mein Söhnchen. Dass Du wieder weich wirst, sonst kannst du nicht leben.“ So beschwört Protagonistin Kazimira ihren Sohn Ake. Denn auch er trägt die Narben der Geschichte am eigenen Leib. In ihrem mittlerweile fünften Roman präsentiert sich Svenja Leiber als Autorin einer aufwändig recherchierten, nüchtern präsentierten und zugleich erschütternden Geschichte. Alles getragen von einer Frau, die, der Zeit enthoben, für viele weibliche Schicksale steht und einer Umgebung, die der Verwüstung ebenso ausgesetzt ist, wie die dort lebenden Menschen.

Ambitionierte Zerstörung – Silvia Tschui: Der Wod

„[…] dem Wod kann man nicht entfliehen, der Wod findet einen überall, schon geht unten die Tür, es knarrt auf der Treppe […]“. Szenisch aufwändig und wuchtig mutet Silvia Tschui ihren Lesern eine Familiensaga zu, deren Protagonisten von Gewalt und Immoralität überwältigt mit dem Leben ringen. Wie ausgeliefert steht man diesem Wod und seiner Autorin gegenüber und hofft mit jeder Seite, dass einen die ungnädige norddeutsche Sagengestalt nicht selbst einholt.

Die Welt als Wille und Vorahnung – Raphaela Edelbauer: DAVE

„Herzlich willkommen zur finalen Tat der Menschheit“ – DAVE lautet der Name einer künstlichen Intelligenz, einer schier „endlosen kognitiven Kraft“, die nach der Vorstellung ihrer Konstrukteure die Menschheit aus ihrem selbst verschuldeten Unheil erlösen wird. In ihrem zweiten Roman lädt   Raphaela Edelbauer zu einer Reise an die Grenzen des Vorstellbaren, weckt Erinnerungen an eine  noch zu erfindende Zukunft und fragt danach, was der Mensch im Besitz technischer Werkzeuge erschaffen kann und sollte.

Wirrnis, Witz und Wortgeschiebe – Thomas Kunst: Zandschower Klinken

Bengt Claasen trauert. Das Ende einer Beziehung und der Tod seiner Hündin sind zu beklagen. Grund genug fortzugehen, um an einem anderen Ort von vorn zu leben. Dabei dient Claasen das Halsband des verstorbenen Haustiers als schicksalsweisender Kompass. Er will dort von neuem beginnen, wo dieses vom Armaturenbrett seines Autos rutscht. Seinen Fall tritt das Bändchen vor der Ortschaft Zandschow an. Einem Provinznest irgendwo im äußersten Norden Deutschlands. Dort bilden der zentrale Feuerlöschteich, ein paar durchschnittliche Wohnbauten, der lokale Getränkehandel und die überall verstreuten Apfelbäume die karge Realität dieses Ortes. Ähnlich wie die Wissower Klinken – eine Kreidefelsformation auf Rügen, die 2005 in die Ostsee rutschte – scheint dieser Ort Außenstehenden allerdings ins Vergessen geraten zu sein.

Noch ein Autorenschicksal – Alem Grabovac: Das achte Kind

Autofiktion liegt im Trend und das Interesse an Büchern, deren Geschichte in erster Linie die ihrer Autoren abbilden, ist entsprechend hoch. Alem Grabovac legt mit ‚Das achte Kind‘ ein Buch vor, das Biografie, Weltgeschichtliches und die Suche nach der eigenen Identität im Spannungsfeld kultureller und sozialer Differenz behandelt. Ob die Schilderung eines weiteren Autorenschicksals die versprochene Leselust einwirbt und den auf dem Romanrücken aufgebrachten Lobeshymnen bekannter Literaturvertreter gerecht wird, kann man beim Weiterlesen erfahren.

Mit Beyoncé ins Verderben – Eva Munz: Oder sind es Sterne

Auf der Suche nach Sinn, Identität und Vergebung kreuzen sich am Beginn des 21. Jahrhunderts die Lebenslinien dreier Männer, die zunächst geografisch voneinander entfernt, deren Existenzen jedoch eng miteinander verflochten sind. In ihrem ersten Roman fusioniert die Autorin Eva Munz drei Erzählperspektiven zu einem gemeinsamen Narrativ unter dem Eindruck weltpolitischer Enttäuschungen.

Interview: „Heimat ist kein Ort, aus dem man vertrieben werden kann“

Iris Wolffs Roman ‚Die Unschärfe der Welt‘ war einer der Erfolge des letzten Buchjahres. Während die Autorin den Marie Luise Kaschnitz-Preis verliehen bekam, war der Roman gleich für mehrere Preise nominiert. Auch die Kritik hat das Buch äußerst positiv aufgenommen. Mit Aufklappen hat die in Freiburg lebende Schriftstellerin über ihre Poetik, über Preise und die Grenzen der Sprache gesprochen.

Aus dem Beton – Christian Baron: Ein Mann seiner Klasse

Weniger nach der romantischen Liebe, als nach einer Erklärung für das ihm Widerfahrene sucht Christian Baron in seinem ersten Roman ‚Ein Mann seiner Klasse‘. Darin erzählt er die Geschichte einer tragischen Kindheit, die die seine ist. Davon, wie er und seine Familie unter Armut, Gewalt, Alkoholismus und der Ausgeschlossenheit aus weiten Teilen der sie umgebenden Gesellschaft litten. Davon, wie er dieser Welt entstiegen ist und was von dieser noch heute in ihm übrig ist.