Beseelte Heiterkeit – Ferdinand von Schirach: Regen

Von Jascha Feldhaus

Ein typisches von Schirach-Buch könnte man meinen, mit Regen wieder in der Hand zu haben, aber gegen aller Gewohnheit inszeniert der Autor hier ein ganz anderes Genre, was dem Leser aber nicht unbedingt sofort auffällt.

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In ungewohnter Kürze trifft man hier einen Text von Ferdinand von Schirach, der sich auch seiner bekannten Fallszenerien entsagt. Zwar wird eine Grundlage mittels eines Mords angelegt, verfliegt aber, weshalb diese Ausgangssituation uns zum prägenden Thema führt, das das Buch ins sich trägt: Zufall und Notwendigkeit. Dieses Thema, entlehnt von Demokrit, der sagte: „Alles, was existiert, ist die Frucht von Zufall und Notwendigkeit“, wird von einem Ich-Erzähler präsentiert, der sich nach einer Gala auf das Hoteldach begibt und dort in eine tiefgreifende Begegnung mit einer jungen Frau fällt.

Es wird eine feine Sentimentalität dargestellt, anhand dieser die Nachtszenerie an Kraft gewinnt, die so unbemerkt dem Text folgt, dass der Leser ergriffen wird von Schwung der Intensität, die der Ich-Erzähler in der Begegnung wiederfindet. Dabei wird man immer wieder ganz dicht an das Geschehen herangeholt, weil immer wieder das Leser-Sie angesprochen wird, ein Bezug zum Gegenüber im Außen gesucht wird, um das Innere, die Erzählung maßgeblich zur Geltung kommen zu lassen. Der titelgebende Regen ist dabei das positive Rauschen, das Hintergrundgeräusch, was den Text in gewisser Weise fortführt.

Von Schirach lässt den Ich-Erzähler sich entblößen. Die Inszenierung, die Dramaturgie gelingt, weil der Text doch keine Erzählung ist, sie ist ein Monolog, was das Bild auch stimmig macht. Man fühlt sich neben dem sprechenden Ich, es ist schon fast freundschaftlich nahe, wie der Einblick in die private, ja intime Innenwelt des Erzählers oder Sprechers hervortritt. Dabei wird man als Leser auch selbst angeregt, sich einmal zu beschauen und in sich hinein zu fühlen, um zu sehen, wo und wie man steht.

Regen ist ein wunderbarer Text, der auch auf die Bühne kommt. Das verrät auch das mit ausgegebene Interview zwischen Ferdinand von Schirach und Sven Michaelsen. Eine gelungene Ergänzung zum Text, denn von Schirach dort im Gespräch zu folgen, macht bekannt viel Spaß – man kann förmlich seine ruhige Stimme hören, die die klugen Worte bescheiden, zurückhaltend vorträgt. – Gerne weitersagen.


Ferdinand von Schirach: Regen
Luchterhand 2023
107 Seiten / 20 Euro

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Foto: 652234 / pixabay

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