Immer noch irgendwo dazwischen – Ivna Žic: Wahrscheinliche Herkünfte

In ihrem jüngst erschienenen Buch Wahrscheinliche Herkünfte vereint Ivna Žic vier essayistische Texte, die sich mit ihrer Frage nach der Herkunft beschäftigen. Das Angebot ist vielfältig; die Autorin bewegt sich zwischen Poetikvorlesung und Recherchearbeit, zwischen Fragen nach unerzählten Teilen der Familiengeschichte und der Auseinandersetzung mit Sprache und Mehrsprachigkeit.

„Literatur darf nicht starr sein. Es gibt nicht irgendwelche starren Vorstellungen“ – Interview mit Christoph Geiser

Nach einem langen schriftstellerischen Leben würdigt der Secession Verlag das literarische Schaffen Christoph Geisers mit einer 13-bändigen Werkausgabe. Es wirkt wie ein Schlusspunkt. Doch schaut man genau hin, dann fällt auf: der 13. Band ist noch nicht einmal geschrieben. Ein Gespräch über die Herkunft, das literarische Leben und die Bedeutung der Literatur.

Zerrüttende Verhältnisse – Christoph Geiser: Brachland

Mit Brachland liefert Christoph Geiser die Fortsetzung seines Familienromans Grünsee und den zweiten Band seiner Werkausgabe. Im Mittelpunkt des Romans steht der Vater. Ein gesellschaftlich angesehener Kinderarzt, der auch gerne im Mittelpunkt der Familie stehen würde, dort aber aufgrund seiner patriarchalen Ansprüche untergeht und schließlich als selbstgewählter Außenseiter im Elsass landet.

Großmutters Landschaft, eine zerfallende Familie – Christoph Geiser: Grünsee

Christoph Geisers Roman Grünsee ist der erste Band der Werkausgabe, aber nicht der erste Roman des Autors. Dennoch scheint die Wahl ein kluger Zug zu sein, denn dieser Roman bietet einen wunderbaren Einstieg in die literarische Welt Geisers und damit auch in die zweibändige Familienerzählung. Der Leser folgt hier einem personellen Ich-Erzähler, der durchaus als ein Alter Ego des Autors erscheint und aus dessen Sicht die doppelsträngige Erzählung präsentiert wird. Aber – und das ist große Kunst – der Erzähler drängt sich nicht zwangsläufig als Hauptfigur auf, vielmehr begleitet man ihn durch Vergangenheit und Gegenwart, in denen er jeweils seinen eigenen Platz hat. Wobei das Vergangene eine Familiengeschichte zeigt, die sich vor allem in und um das Feriendomizil seiner Großmutter in Zermatt dreht, während das Jetzt bedeutsam das Resultat aufzeigt.

Nachmittägliche Aus-lese – Ferdinand von Schirach: Nachmittage

Nachmittage ist der neue Band von Ferdinand von Schirach überschrieben, in dem sich der Schriftsteller wieder einmal mit persönlichen ebenso wie mit juristischen Erlebnissen auseinandersetzt. Anders als in dem drei Jahre zuvor erschienenen Kaffee und Zigaretten beschäftigt sich von Schirach nicht mit frühen familiären Begebenheiten, sondern setzt sich als Autor, als Schriftsteller ins Bild – quasi im Nachmittag seines Lebens sich aufhaltend – und befasst sich vor allem mit dem Schreiben.

Ein Drang nach Identität – Simoné Goldschmidt-Lechner (SGL): Messer, Zungen

Was bleibt einem übrig, wenn Fragen an die Vergangenheit unbeantwortet bleiben? Simoné Goldschmidt-Lechner gräbt autofiktional in losen persönlichen Fragmenten herum, um einen Roman zu präsentieren, der eine ganz eigene Familiengeschichte stückhaft zusammenfügt. Daraus gewinnt sie eine Idee der Identität und des Seins. In der Geschichte wird alles mit dem Wissen der Gegenwart betrachtet; vergangene Missverständnisse, Fehler oder Verhaltensweisen, aber auch die Sprache oder die Sprachen sind maßgebliche Faktoren für das Selbstverständnis der Protagonistin namens Mädchen.

„Über uns der Himmel. Unter uns die Elbe“ – Die Geschichte der Buchhandlung Kortes in Blankenese

Alfred Kortes’ 1921 in der Uckermark gegründete Buchhandlung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Hamburg-Blankenese angespült. In den ersten schwierigen Jahren umschmeichelte der Buchhändler seine Kunden und bettelte bei den Verlegern um Zuteilung der knappen Bücher. Kortes schaffte es, seine Buchhandlung zu etablieren. 2022 schaut das Geschäft auf 76 Jahre in Blankenese zurück. Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen, denn es steht ein Generationswechsel an.

„Im Irak feiert man den Tod mehr als jedes andere Ereignis“ – Usama Al Shahmani: Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt

Überdurchschnittlich viele Bücher, die wir bei Aufklappen besprechen, thematisieren Fluchterfahrungen: Flucht vor patriarchalen Strukturen, aus der Stadt, vor der Vergangenheit; und immer wieder vor Kriegen und politischer Verfolgung: in Jugoslawien, im Iran, im Irak. Das jüngste Werk in dieser Reihe stammt von Usama Al Shahmani, einem größeren Publikum bekannt aus dem Schweizer Literaturclub. Es folgt inhaltlich den Stationen, die Abbas Khider im Palast der Miserablen vorgezeichnet hat, sticht aber durch eine große Nüchternheit im Ausdruck hervor.