Durch die kackbraune Brille – Hans Demmel / Friedrich Küppersbusch: Anderswelt

Von Johannes Schaefer

Mehrere Monate nur Nachrichten vom rechten Rand konsumieren. Das nahm Hans Demmel sich vor. Der Einblick ist gelungen, aber ein Aha-Effekt bleibt aus.

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Ob das amerikanische Breitbart oder das deutsche PI News – rechtspopulistische, rechtsradikale oder rechtsextreme Nachrichtenportale haben eines gemeinsam: Ihre Verbreitung erfahren sie vor allem via Social Media, den meisten Menschen sind sie überhaupt nur durch Berichterstattung und Kommentare etwa aus der Zeit oder dem Spiegel bekannt. Ihre führenden Akteure umweht eine geheimnisvolle Aura: Götz Kubitschek gilt als Einflüsterer von Björn Höcke, Steven Bannon soll der Kopf hinter dem Wahlsieg von Donald Trump sein. Diese Portale ziehen die Fäden, so scheint es, und bauen das ideologische Gerüst für zweifelhafte Akteure von Rechtsaußen. Was passiert mit einem, wenn man sich eine Zeitlang ausschließlich auf diesen Portalen informiert? 

Der Journalist Hans Demmel wagt das Experiment. Monatelang informiert er sich exklusiv dort, fünf Portale sucht er aus, will aber auch dem System der Schneeballrecherche folgend schauen, wohin ihn die Algorithmen führen. Seine fünf Portale stellt er anfangs kurz vor und begründet die Auswahl. Danach folgt das Buch einer chronologischen Logik, ähnlich einem Tagebuch. Es beginnt mit den Ereignissen rund um den „Sturm auf den Reichstag“ im August 2020 und endet Mitte Januar 2021 mit der Wahl Armin Laschets zum Bundesvorsitzenden der CDU. Begleitet wird er von Friedrich Küppersbusch, mit dem er in unregelmäßigen Abständen das Gelesene und seinen eigenen Gemütszustand reflektiert. Beide haben Karrieren im – Vorsicht Szenewort – „Medien-Mainstream“ hinter sich. Hans Demmel war zuletzt für die RTL-Gruppe tätig, Küppersbusch kommt aus dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ist aber auch als Produzent und Kolumnist tätig. 

Unvoreingenommen kann niemand an diese Aufgabe herangehen und Demmel versucht auch gar nicht diesen Eindruck zu erwecken, versteckt mitnichten seine Skepsis gegenüber den Informationen, die er erhält. Er webt diese Gedanken stets direkt in seine Darstellung ein. Das ist zwar ehrlich, aber vielleicht wäre eine strikte Trennung – was habe ich gelesen, gehört oder gesehen und was denke ich dazu – doch ratsam gewesen. Denn so nimmt Demmel dem Leser die Möglichkeit zunächst zu einer eigenen Einschätzung zu kommen und das eigene Urteil mit dem des Autors abzugleichen. 

Am Ende führt diese Herangehensweise aber auch zur zentralen Schwäche des Buchs: Es generiert keine Erkenntnisse, es bemüht sich nicht einmal systematisch darum. Es will beschreiben, dokumentieren und stellenweise reflektieren, mehr nicht. Wer es liest, muss sich Erkenntnisse ein wenig zusammensuchen, wird dann aber mit mehr als nur Goldstaub belohnt. 

So zeigt Demmels Erfahrungsbericht wie zahlreiche Autoren der Szene sich der Begriffe „liberal“ und „konservativ“ zu bemächtigen versuchen. Ein Befund, der zunächst bei allen „echten“ Liberalen und Konservativen die Alarmglocken schrillen lassen müsste. Der Begriff des Konservativen wurde von der Merkel-Union fast vollständig aufgegeben, nun nutzen ihn andere für ihre Zwecke. Gleichzeitig muss man den Vorwurf auch an andere weiterreichen: Wer Begriffe wie „rechts“, „konservativ“ oder „liberal“ gezielt in Verbindung mit Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus bringt – bspw. durch Gerede von einer AFDP – erledigt das Geschäft jener, die rechtsradikal, rechtspopulistisch oder rechtsextrem sind. 

Vor allem von einer Entdeckung gibt sich Demmel erschüttert: Wie viele ehemalige Kollegen, teils dekorierte Journalisten, ehemalige Chefredakteure und Reporter inzwischen das Geschäft dieser Portale betreiben, dort ganz vorne mitmischen. Matthias Matussek und Roland Tichy sind hier zwei prominente Namen, an denen sich auch zeigt, wie sich die Szene aus allen früheren Lagern speist. Immer wieder verweist er außerdem auf die offensichtliche pekunäre Motivation einiger Akteure, die mit leichtgläubigen Menschen vor allem Geld verdienen.

Wie groß ist nun der Einfluss dieser Portale, woher ziehen sie ihre Macht und wie groß ist diese überhaupt? Demmel kann und möchte darauf keine Antwort geben, aber zwischen den Zeilen reift dennoch eine Erkenntnis: Diese Szene ist so heterogen, ihre Akteure sind dermaßen schillernd, krude, die Vorgehensweise ist teilweise so amateurhaft-hanebüchen; schwer zu glauben, es könne sich dabei wirklich um eine intellektuelle Avantgarde der Neuen Rechten handeln. Vielmehr ist es ein bunter Haufen, der von einer bereits bestehenden Entwicklung zu profitieren versucht. 

Woher also dieses Gefühl der Ohnmacht in der Beschreibung der Szene? Woher das Bild des rechten Spindoctors der in seinem Kämmerlein in Schnellroda die Strippen zieht? Nach Lektüre des Buchs entsteht der Eindruck: Gerade wer besonders vehement gegen rechtsextreme Umtriebe kämpft, tendiert dazu seinen Gegner durch Dämonisierung größer und cleverer zu machen, als er ist. Götz Kubitschek und Steve Bannon stehen exemplarisch für zwei Köpfe deren Einfluss überschätzt wird, wie auch Hans Demmel maliziös bemerkt: „Ich habe versucht, mich ohne klares Ergebnis- und Rechercheziel vorwärts zu bewegen. Dabei habe ich viel Überraschendes gefunden, selbst Anzeigen für Hundekrawatten. Kubitschek nicht.“ 

In der Auseinandersetzung mit ihren Feinden sollte eine offene Gesellschaft nicht den Fehler begehen, aus Zwergen Riesen zu machen. Ohnehin lautet die entscheidende Frage nicht – wie bekämpfen wir diese Leute? –, sondern viel mehr: Wie verhindern wir, dass Menschen sich in einem Netz von mehr oder weniger gefährlichen Verschwörungstheorien verhaken und am Ende so verwirrt sind, dass sie auf diese plumpen und schlecht gemachten Märchen hereinfallen?

Das insgesamt gelungene Buch krankt ein wenig an seinem eher beschreibenden Charakter, stört bisweilen mit Vorverurteilungen, überzeugt aber durch selbstkritische Reflektionen. Eingewobene Factchecks oder Kurzbiographien bereichern das Buch zusätzlich. Es gibt einen oberflächlichen Einblick in den Kosmos rechtsradikaler Portale und ist für Interessierte eine Lektüre wert.

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Hans Demmel / Friedrich Küppersbusch: Anderswelt. Ein selbstversuch mit rechten Medien
Kunstmann 2021
240 Seiten / 22 Euro

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Foto: Anthony Crider / wikipedia.org

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