Auch wenn Strömung das literarische Debüt von Jakob Augstein ist, handelt es sich bei ihm keinesfalls um einen Neuling im Literaturbetrieb: Als Verleger, Kolumnist, Journalist und Sachbuchautor hat er einen festen Platz innerhalb der deutschen Medienlandschaft. Für seinen ersten Roman wählt Augstein eine Charakterstudie mit satirischen Zügen: Strömung erzählt vom Aufstieg und Fall des Franz Xaver Misslinger, einem redegewandten und nach Macht strebenden Jungpolitiker, für den Probleme nur dornige Chancen sind. Dass dieser Ausspruch an Christian Lindner erinnert, ist kein Zufall: Misslingers gesamte Partei zeigt unübersehbare Parallelen zur FDP, auch wenn es sich nicht um einen Schlüsselroman handelt.
Schlagwort: Politik
Make Realpolitik sexy again – Yasmine M’Barek: Radikale Kompromisse
Die ‚Polarisierung‘ der Gesellschaft ist nicht zufällig ein Lieblingsthema im Feuilleton und auf dem Sachbuch-Markt: Gut lässt sich darüber vom Standpunkt gefühlter Wahrheit respektive der Twitter-Exegese schreiben und auf die Furcht vor dem ‚Verlust der Mitte‘ ist unter deutschen Lesern Verlass. Auch Radikale Kompromisse der ZEIT-Redakteurin Yasmine M’Barek kreist um den Befund der Polarisierung, aber das Buch kommt anders daher als vergleichbare Analysen. Nicht als Warnruf, sondern als positives Plädoyer für „ein Revival echter Realpolitik“.
Die Liebe, ihre Wahrheiten und ihre Lügen – Şeyda Kurt: Radikale Zärtlichkeit
Şeyda Kurt stellt die Liebe in Frage. Das klingt groß für 200 Seiten, doch das herausragende Debüt ist perfekt. Die Aufmerksamkeit, die es gerade bekommt, ist mehr als verdient. Şeyda Kurt macht klar: Wir alle brauchen eine politische Veränderung der Zärtlichkeit.
Der bessere Kandidat – Susanne Gaschke: Robert Habeck
Was wäre, wenn? Diese Frage treibt nicht nur die Union und das „Team Söder“ um, auch bei den Grünen hadern einige mit dem Wahlergebnis. Neben dem historisch schlechtesten Ergebnis der Union gingen die historisch besten, aber enttäuschend schlechten 14,8 Prozentpunkte der Grünen unter. Wäre Habeck nicht doch der bessere Kandidat gewesen? Susanne Gaschke stellt ihrer „politischen” Habeck-Biografie genau diese Frage voran.
Durch die kackbraune Brille – Hans Demmel / Friedrich Küppersbusch: Anderswelt
Mehrere Monate nur Nachrichten vom rechten Rand konsumieren. Das nahm Hans Demmel sich vor. Der Einblick ist gelungen, aber ein Aha-Effekt bleibt aus.
„Vielleicht in friedlichen Zeiten“ – Helga Schubert: Vom Aufstehen
Im Jahr 2020 erhielt Helga Schubert für ihren Text über die Beziehung zu ihrer Mutter den Ingeborg-Bachmann-Preis. Daraus entstanden ist ‚Vom Aufstehen‘, eine Sammlung von Erzählungen über die Kindheit im Krieg, das Leben in der DDR, über beschädigte Familien, das Älterwerden und die Freiheit. Dieses Buch ist gleichermaßen großartige Literatur und Lebensschule.
Eine Lanze für das Hinterzimmer – Robin Alexander: Machtverfall
Generationen von Politikwissenschaftlern sind mit der Geschichte der „Black Box“ aufgewachsen. Der Begriff umschreibt, wie wenig transparent der eigentliche Vorgang „Politik“ am Ende immer bleibt – selbst für die Disziplin, die ihn erforscht. Paradox: Bilder der Mondlandung gab es 1969 schon live im Fernsehen, aber bis heute weiß kaum jemand wirklich, wie ein Verfassungsrichter ausgesucht wird. Das geschieht im berühmtberüchtigten Hinterzimmer. Eigentlich alle Entscheidungen werden dort gefällt oder wenigstens vorbereitet. Das Hinterzimmer ist auf diese Weise Inbegriff für kuriose „Deals“, für „Geklüngel“. Schon das Wort allein riecht nach Alkohol, Tabak und Altmännerschweiß. Nur wenige sind dabei, wenn dort entschieden wird. Hinterher reden sie zumeist nicht darüber. Und wenn doch, ist kaum glaubwürdig, was sie erzählen.
Interview: Katholische Radfahrer und Trennlinien im Zickzack
Prof. Dr. Michael Braun leitet das Literatur-Referat der Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch im Corona-Lockdown setzt sein Referat die Zusammenarbeit mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern fort. Mit Pascal Mathéus hat er über die Literaturförderung der politischen Stiftungen, linke und rechte Ästhetiken und die Rolle der Literatur bei der Formung einer zeitgemäßen deutschen Identität gesprochen.
Aus dem Beton – Christian Baron: Ein Mann seiner Klasse
Weniger nach der romantischen Liebe, als nach einer Erklärung für das ihm Widerfahrene sucht Christian Baron in seinem ersten Roman ‚Ein Mann seiner Klasse‘. Darin erzählt er die Geschichte einer tragischen Kindheit, die die seine ist. Davon, wie er und seine Familie unter Armut, Gewalt, Alkoholismus und der Ausgeschlossenheit aus weiten Teilen der sie umgebenden Gesellschaft litten. Davon, wie er dieser Welt entstiegen ist und was von dieser noch heute in ihm übrig ist.