Mit Brachland liefert Christoph Geiser die Fortsetzung seines Familienromans Grünsee und den zweiten Band seiner Werkausgabe. Im Mittelpunkt des Romans steht der Vater. Ein gesellschaftlich angesehener Kinderarzt, der auch gerne im Mittelpunkt der Familie stehen würde, dort aber aufgrund seiner patriarchalen Ansprüche untergeht und schließlich als selbstgewählter Außenseiter im Elsass landet.
Schlagwort: Roman
Schuld und Enkelsöhne – Michael Köhlmeier: Frankie
Als Frank zur Welt kam, saß sein Großvater bereits vier Jahre. Vierzehn Jahre später wird er aus dem Gefängnis entlassen. Franks Begegnung mit ihm ändert alles. Michael Köhlmeier hat einen faszinierenden Roman über Schuld, Verantwortung und den freien Willen geschrieben. Sein Held: der merkwürdigste 14-Jährige der Welt.
Ein Drang nach Identität – Simoné Goldschmidt-Lechner (SGL): Messer, Zungen
Was bleibt einem übrig, wenn Fragen an die Vergangenheit unbeantwortet bleiben? Simoné Goldschmidt-Lechner gräbt autofiktional in losen persönlichen Fragmenten herum, um einen Roman zu präsentieren, der eine ganz eigene Familiengeschichte stückhaft zusammenfügt. Daraus gewinnt sie eine Idee der Identität und des Seins. In der Geschichte wird alles mit dem Wissen der Gegenwart betrachtet; vergangene Missverständnisse, Fehler oder Verhaltensweisen, aber auch die Sprache oder die Sprachen sind maßgebliche Faktoren für das Selbstverständnis der Protagonistin namens Mädchen.
„Im Irak feiert man den Tod mehr als jedes andere Ereignis“ – Usama Al Shahmani: Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt
Überdurchschnittlich viele Bücher, die wir bei Aufklappen besprechen, thematisieren Fluchterfahrungen: Flucht vor patriarchalen Strukturen, aus der Stadt, vor der Vergangenheit; und immer wieder vor Kriegen und politischer Verfolgung: in Jugoslawien, im Iran, im Irak. Das jüngste Werk in dieser Reihe stammt von Usama Al Shahmani, einem größeren Publikum bekannt aus dem Schweizer Literaturclub. Es folgt inhaltlich den Stationen, die Abbas Khider im Palast der Miserablen vorgezeichnet hat, sticht aber durch eine große Nüchternheit im Ausdruck hervor.
Verstrahlt – Benjamin Heisenberg: Lukusch
Vom Strahlenopfer zum Schachgenie und hellsehenden Unternehmensberater: Anton Lukuschs abenteuerliche Biographie ist der Gegenstand von Bejamin Heisenbergs erstem Roman. Tragen skurrile Einfälle und filmische Cuts das Buch bis zum Ende?
„Die nordkoreanische Vulkanologie hob an zu singen“ – Andreas Stichmann: Eine Liebe in Pjöngjang
Der Großvater befreite sein Volk von den Japanern, der Vater sperrte es in Arbeitslager ein, der Sohn schenkt ihm Atomwaffen. Die Kims verwandelten Nordkorea in eines der am stärksten isolierten Länder der Welt. Ein Besuch auf dem Nordteil der Halbinsel gleicht einer Zeitreise. Wir schreiben das Jahr 107 nach Kim Il-sung, frühes 21. Jahrhundert. Auftritt Claudia Aebischer.
„Und wahrscheinlich haben alle ihre Dschinns“ – Fatma Aydemir: Dschinns
In ihrem zweiten Roman erzählt die Autorin die Geschichte einer deutschtürkischen und -kurdischen Familie, die über den plötzlichen Tod des Vaters Hüseyins in Istanbul zusammenkommt. Im Gepäck haben sie nicht nur ihre Trauer, sondern auch widersprüchliche Gefühle, Fragen und Unausgesprochenes; kurzum ihre eigenen und die Dschinns der anderen.
Ein lächelnder Blick in den Abgrund – Annika Büsing: Nordstadt
Nene ist Anfang zwanzig und Bademeisterin in der Nordstadt – dem Teil der Stadt, in dem Menschen mit Problemen und ohne Optionen wohnen. Eines Tages trifft sie Boris, der wegen Kinderlähmung seine Beine nicht richtig bewegen kann. Es beginnt eine Liebesgeschichte geprägt von Zweifeln, Misstrauen und starken Gefühlen, erzählt mit einer großen Portion Humor und Ironie.
Ein ungewöhlich bedeckter Himmel – Timo Feldhaus: Mary Shelleys Zimmer
1815 bricht der Vulkan Tambora auf Indonesien aus. Ein Jahr später liegt Europa im Dunkeln und erlebt die Folgen dieser Klimakatastrophe. Timo Feldhaus spannt das historische Panorama seines ersten Romans um die zerstörerische und zugleich schöpferische Kraft dieses Ausbruches. Sorgfältig konzipiert und quellennah werden dabei erst retrospektiv erkennbare Verbindungen zu einer Geschichte zusammengefügt, die zwischen historischer Realität und Fiktion einen den Globus umspannenden Raum ausfüllt, ohne dabei das Individuum zu verlieren.
Im Kunstversteck – Eckhart Nickel: Spitzweg
Spätestens seit Spitzweg ist klar: Eckhart Nickel gehört zu den ganz großen deutschsprachigen Schriftstellern der Gegenwart. Seine Prosa schert sich nicht um aktuelle Stilvorschriften. Durch ihren ins Altmodische ragenden Formwillen hat sie vielmehr etwas Zeitloses, das jedoch wiederum durch ihre Lässigkeit durchbrochen und in die Gegenwart geholt wird. Seine Romane sind unheimlich raffiniert gebaute Kunstwerke von erhabener Schönheit. Sie sind Ergebnisse einer tiefschürfenden Beschäftigung mit den großen Fragen des Lebens. Dank großer literarischer Könnerschaft wirkt dies jedoch beinahe mühelos. Wie macht er das?