Was trennt uns noch voneinander nach bald 34 Jahren Einheit? Charlotte Gneuß lässt als Nachgeborene eine untergegangene Welt wiederauferstehen. Unsere Rezensentin ist fasziniert von der Fremdartigkeit der Erfahrungen und dem rasanten Stil der Debütantin.
Schlagwort: Debüt
Ein lächelnder Blick in den Abgrund – Annika Büsing: Nordstadt
Nene ist Anfang zwanzig und Bademeisterin in der Nordstadt – dem Teil der Stadt, in dem Menschen mit Problemen und ohne Optionen wohnen. Eines Tages trifft sie Boris, der wegen Kinderlähmung seine Beine nicht richtig bewegen kann. Es beginnt eine Liebesgeschichte geprägt von Zweifeln, Misstrauen und starken Gefühlen, erzählt mit einer großen Portion Humor und Ironie.
Ein ungewöhlich bedeckter Himmel – Timo Feldhaus: Mary Shelleys Zimmer
1815 bricht der Vulkan Tambora auf Indonesien aus. Ein Jahr später liegt Europa im Dunkeln und erlebt die Folgen dieser Klimakatastrophe. Timo Feldhaus spannt das historische Panorama seines ersten Romans um die zerstörerische und zugleich schöpferische Kraft dieses Ausbruches. Sorgfältig konzipiert und quellennah werden dabei erst retrospektiv erkennbare Verbindungen zu einer Geschichte zusammengefügt, die zwischen historischer Realität und Fiktion einen den Globus umspannenden Raum ausfüllt, ohne dabei das Individuum zu verlieren.
Migrant*innen ohne Eigenschaften – Nadire Biskin: Ein Spiegel für mein Gegenüber
Muss man sich individuelle Erfahrungen leisten können? Nadire Biskin baut ihren Debütroman jedenfalls auf dieser These auf. Und sie scheint davon so überzeugt zu sein, dass sie pädagogisch auf ihr Publikum im Sinne dieser Einsicht einzuwirken versucht. Dabei kann schwerlich ein guter Roman herauskommen.
Probleme sind nur dornige Chancen – Jakob Augstein: Strömung
Auch wenn Strömung das literarische Debüt von Jakob Augstein ist, handelt es sich bei ihm keinesfalls um einen Neuling im Literaturbetrieb: Als Verleger, Kolumnist, Journalist und Sachbuchautor hat er einen festen Platz innerhalb der deutschen Medienlandschaft. Für seinen ersten Roman wählt Augstein eine Charakterstudie mit satirischen Zügen: Strömung erzählt vom Aufstieg und Fall des Franz Xaver Misslinger, einem redegewandten und nach Macht strebenden Jungpolitiker, für den Probleme nur dornige Chancen sind. Dass dieser Ausspruch an Christian Lindner erinnert, ist kein Zufall: Misslingers gesamte Partei zeigt unübersehbare Parallelen zur FDP, auch wenn es sich nicht um einen Schlüsselroman handelt.
Gebrochene Verhältnisse – Khuê Pham: Wo auch immer ihr seid
In ihrem Debütroman verbindet Khuê Pham drei Erzählstränge und Schicksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten, zu einer einzigen Familiengeschichte. Die fiktionalisierte Annäherung an ihre eigene Familiengeschichte schildert, ohne zu urteilen, vermittelt unmittelbar und schafft durch drei unterschiedliche Perspektiven dreidimensionale Figuren, die auf seltsame und dennoch wunderbare Art und Weise miteinander harmonieren.
Bildrauschen – Olivia Kuderewski: Lux
Der Weg ist das Ziel – ob sich diese zur Phrase verkommene Weisheit für Lux, die Hauptfigur in Olivia Kuderewskis gleichnamigen Roman, am Ende als wahr erweist? Vielleicht müsste der Weg dafür weniger extrem, die Erlebnisse weniger schmerzhaft sein. Vielleicht sind es aber genau diese existenziellen Erfahrungen, die Lux braucht, um wieder einen Halt zu finden.
Im Auge des Betrachters – Flora S. Mahler: Julie Leyroux
Wer ist Julie Leyroux? In ihrem gleichnamigen Debütroman nähert sich die Autorin Flora S. Mahler dieser Frage, ohne abschließende Antworten zu geben, und entwirft eine im wahrsten Sinne des Wortes kunstvolle Biographie einer faszinierenden, kaum greifbaren Künstlerinnenfigur.
„Fick dich einfach“– Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume
Traum, Trauma, Traumfabrik, das ist der Stoff, aus dem Hengameh Yahghoobifarahs Erstlingswerk gemacht ist. Unter der Oberfläche dieser körperlosen Begriffe geht es sehr handgreiflich zu.
Völlig losgelöst von der Erde – Daniel Mellem: Die Erfindung des Countdowns
10, 9, 8… bis es soweit war und nur noch runtergezählt werden musste, bevor die Rakete zum Mond endlich starten konnte, hatte die Idee schon eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. Wer hätte etwa gewusst, dass sie in den Nullerjahren des 20. Jahrhunderts am Flüsschen Kokel in Siebenbürgen beginnt? Daniel Mellem hebt den Raketenpionier Hermann Oberth in seinem Debütroman aus den Tiefen des Vergessens und widmet sich seinem tragischen Leben voller Visionen und Fehlschläge.










