„Im Irak feiert man den Tod mehr als jedes andere Ereignis“ – Usama Al Shahmani: Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt

Überdurchschnittlich viele Bücher, die wir bei Aufklappen besprechen, thematisieren Fluchterfahrungen: Flucht vor patriarchalen Strukturen, aus der Stadt, vor der Vergangenheit; und immer wieder vor Kriegen und politischer Verfolgung: in Jugoslawien, im Iran, im Irak. Das jüngste Werk in dieser Reihe stammt von Usama Al Shahmani, einem größeren Publikum bekannt aus dem Schweizer Literaturclub. Es folgt inhaltlich den Stationen, die Abbas Khider im Palast der Miserablen vorgezeichnet hat, sticht aber durch eine große Nüchternheit im Ausdruck hervor.

Wie man einen Frosch kocht – Sasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein

Dem Mythos nach springt ein Frosch, so man ihn in kochendes Wasser wirft, sofort aus dem Topf – während er, wenn das Wasser nur langsam erhitzt wird, keine Fluchtversuche unternimmt, weil er die Temperaturunterschiede nicht bemerkt. In Sasha Marianna Salzmanns zweitem Roman dient als Kochwasser ein korrupter sowjetischer Staat, in dem seine BürgerInnen – Salzmanns ProtagonistInnen – weichgekocht werden, bis nur noch wenig Lebendiges und Ehrlich-Authentisches an ihnen ist. Das titelgebende Tschechow-Zitat ist bittere Ironie, weil die Autorin ausschließlich das Gegenteil umschreibt: Herrlich ist da wenig, beherrscht schon eher. Auch 30 Jahre, nachdem der Ofen ausging, kann das Kochwasser noch salzig genug sein, lähmt es die Frösche noch.