„[…] wein, mein Söhnchen. Dass Du wieder weich wirst, sonst kannst du nicht leben.“ So beschwört Protagonistin Kazimira ihren Sohn Ake. Denn auch er trägt die Narben der Geschichte am eigenen Leib. In ihrem mittlerweile fünften Roman präsentiert sich Svenja Leiber als Autorin einer aufwändig recherchierten, nüchtern präsentierten und zugleich erschütternden Geschichte. Alles getragen von einer Frau, die, der Zeit enthoben, für viele weibliche Schicksale steht und einer Umgebung, die der Verwüstung ebenso ausgesetzt ist, wie die dort lebenden Menschen.
Kategorie: Allgemein
Migrant*innen ohne Eigenschaften – Nadire Biskin: Ein Spiegel für mein Gegenüber
Muss man sich individuelle Erfahrungen leisten können? Nadire Biskin baut ihren Debütroman jedenfalls auf dieser These auf. Und sie scheint davon so überzeugt zu sein, dass sie pädagogisch auf ihr Publikum im Sinne dieser Einsicht einzuwirken versucht. Dabei kann schwerlich ein guter Roman herauskommen.
Probleme sind nur dornige Chancen – Jakob Augstein: Strömung
Auch wenn Strömung das literarische Debüt von Jakob Augstein ist, handelt es sich bei ihm keinesfalls um einen Neuling im Literaturbetrieb: Als Verleger, Kolumnist, Journalist und Sachbuchautor hat er einen festen Platz innerhalb der deutschen Medienlandschaft. Für seinen ersten Roman wählt Augstein eine Charakterstudie mit satirischen Zügen: Strömung erzählt vom Aufstieg und Fall des Franz Xaver Misslinger, einem redegewandten und nach Macht strebenden Jungpolitiker, für den Probleme nur dornige Chancen sind. Dass dieser Ausspruch an Christian Lindner erinnert, ist kein Zufall: Misslingers gesamte Partei zeigt unübersehbare Parallelen zur FDP, auch wenn es sich nicht um einen Schlüsselroman handelt.
Ambitionierte Zerstörung – Silvia Tschui: Der Wod
„[…] dem Wod kann man nicht entfliehen, der Wod findet einen überall, schon geht unten die Tür, es knarrt auf der Treppe […]“. Szenisch aufwändig und wuchtig mutet Silvia Tschui ihren Lesern eine Familiensaga zu, deren Protagonisten von Gewalt und Immoralität überwältigt mit dem Leben ringen. Wie ausgeliefert steht man diesem Wod und seiner Autorin gegenüber und hofft mit jeder Seite, dass einen die ungnädige norddeutsche Sagengestalt nicht selbst einholt.
Make Realpolitik sexy again – Yasmine M’Barek: Radikale Kompromisse
Die ‚Polarisierung‘ der Gesellschaft ist nicht zufällig ein Lieblingsthema im Feuilleton und auf dem Sachbuch-Markt: Gut lässt sich darüber vom Standpunkt gefühlter Wahrheit respektive der Twitter-Exegese schreiben und auf die Furcht vor dem ‚Verlust der Mitte‘ ist unter deutschen Lesern Verlass. Auch Radikale Kompromisse der ZEIT-Redakteurin Yasmine M’Barek kreist um den Befund der Polarisierung, aber das Buch kommt anders daher als vergleichbare Analysen. Nicht als Warnruf, sondern als positives Plädoyer für „ein Revival echter Realpolitik“.
Brüderchen und Schwesterchen – Anselm Neft: Späte Kinder
Sophia wird sterben. Die Diagnose lautet: Bauchspeicheldrüsenkrebs, neun Monate geben ihr die Ärzte noch – „eine Schwangerschaft lang hat sie Zeit, um sich auf ihr Ende vorzubereiten. Bestenfalls“. Begleitet von ihrem Zwillingsbruder macht sich Sophia auf ihren letzten Weg. Um Halt zu finden und um mit sich selbst versöhnt aus diesem Leben gehen zu können, tauchen die Geschwister tief in ihre Familiengeschichte ein.
Ach, was der Mann für’n Künstler war! – Manfred Krug: Ich sammle mein Leben zusammen
Muss man die Tagebücher des Telekom-Werbeonkels und Fernsehtruckers Manfred Krug lesen? Eindeutig ja! Denn Krug war viel mehr. Unter anderem ein begabter Schriftsteller.
Hat die Literatur versagt? – Interview mit Uwe Wittstock
Was kann die Literatur leisten, wenn ein Diktator nach der Macht greift? Der Literaturkritiker Uwe Wittstock hat einen packenden Bericht über die ersten Wochen der Nazi-Diktatur geschrieben. Binnen weniger Wochen wurde damals die Öffentlichkeit gleichgeschaltet, die Schriftstellerinnen und Schriftsteller mussten sich ad hoc positionieren. Nur wenige taten sich durch Zivilcourage hervor. Trotz aller Bitternis weiß Wittstock von kleineren und größeren Siegen der Literatur zu berichten.
Nazis und Rote auf dem Dorfe – Anna Seghers: Der Kopflohn
Anna Seghers war sich schon 1933 sicher, was Hitlers Aufstieg ermöglichte: Die ungeklärte soziale Frage trieb die Bauern den Nazis in die Arme. Wenig überraschend für eine Kommunistin. Doch ihre Romane schrieb sie nicht als Politaktivistin, sondern als einfühlsame Beobachterin menschlichen Strebens und Leidens. Der Kopflohn ist ein kleines Meisterwerk.
Born to be wild – Peter Karoshi: Zu den Elefanten
Ein tief in der Midlifecrisis steckender Wissenschaftler und sein neunjähriger Sohn machen spontan eine Rucksackreise auf den Spuren Kaiser Maximilians II. und des Elefanten Soleiman. Der klägliche Versuch, seiner kriselnden Beziehung zu entkommen, entgleist erwartungsgemäß völlig und wird zu einer wirren Selbstfindungsreise. Ein wilder Ritt mit vielen Ideen, aber auch vielen losen Enden.










