1976 zerstörte ein Erdbeben im italienischen Friaul dutzende Dörfer und tötete Fast 1000 Menschen. Das vorausgehende Grollen, der Rombo, verfolgt die Überlebenden bis heute. Doch wer den Roman als Bericht eines kollektiven Traumas liest, irrt.
Im Kunstversteck – Eckhart Nickel: Spitzweg
Spätestens seit Spitzweg ist klar: Eckhart Nickel gehört zu den ganz großen deutschsprachigen Schriftstellern der Gegenwart. Seine Prosa schert sich nicht um aktuelle Stilvorschriften. Durch ihren ins Altmodische ragenden Formwillen hat sie vielmehr etwas Zeitloses, das jedoch wiederum durch ihre Lässigkeit durchbrochen und in die Gegenwart geholt wird. Seine Romane sind unheimlich raffiniert gebaute Kunstwerke von erhabener Schönheit. Sie sind Ergebnisse einer tiefschürfenden Beschäftigung mit den großen Fragen des Lebens. Dank großer literarischer Könnerschaft wirkt dies jedoch beinahe mühelos. Wie macht er das?
„Spezieller Narr vor seinem speziellen Narrenkasten“ – Peter Handke: Zwiegespräch
Peter Handkes neues Buch ist ein Interview des Autors mit sich selbst. Als letzter Mohikaner, dem die Sprache noch etwas bedeutet, inszeniert sich der Nobelpreisträger in Zwiegespräch. Für ein so dünnes Buch wird etwas wenig erzählt und dafür umso mehr lamentiert.
„Die Spuren, die er gelegt hat“ – Zum 80. Geburtstag von Thomas Bader
Wirklich nahegekommen ist Thomas Bader kaum jemand. Selbst bei langjährig vertrauten Kunden und Gesprächspartnern wahrte der Buchhändler „die Eleganz der Distanz“, wie es Karl-Heinz Ott anlässlich des Abschiedsabends für Thomas Bader einmal ausdrückte. Wer war also der 2014 verstorbene, langjährige Inhaber der Buchhandlung zum Wetzstein? Eine Spurensuche in Dokumenten und Berichten von Weggefährten und Vertrauten.
Bericht eines Traumas – Abbas Khider: Der Erinnerungsfälscher
Fälschen lässt sich vieles: Kunstwerke, Diamanten, Fotos und Pässe. Das Handwerk des Fälschens ist so universell geworden, dass Begriffe von Wahrheit und Unwahrheit zunehmend verschwimmen. Doch wer seine eigene Erinnerung fälschen will, der muss ein Künstler sein, getrieben vom Versuch einer Vergangenheit zu entfliehen, die zu schmerzhaft ist, um ertragen zu werden. Abbas Khider erzählt von solch einem Erinnerungsfälscher.
Selbstdarstellung statt Mitgefühl – Monika Helfer: Löwenherz
Monika Helfer hat einen weiteren Roman über ihre Familiengeschichte veröffentlicht. Löwenherz reiht sich damit hinter der Bagage und Vati ein. Dieses Mal geht es um den verstorbenen Bruder Helfers. Dem Roman mangelt es an Empathie.
„Es gibt nichts Individuelleres als die Fiktion“ – Interview mit Julia Franck
Julia Franck zählt zu den wichtigsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, ihre Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt, ihre Kurzgeschichten finden sich immer wieder in Schulbüchern. In ihrem neuen Roman Welten auseinander erzählt die Berliner Autorin von den Brüchen und Tiefen einer ungewöhnlichen Jugend, der Emanzipation von familiären Banden und davon, welche Bedeutung das Erinnern und Schreiben für all das haben kann. Im Interview schildert Julia Franck ihre Wahrnehmung des Krieges in der Ukraine, reflektiert Entwicklungen des deutschsprachigen Literaturbetriebs und erläutert ihr Unbehagen gegenüber Gerhart Hauptmann.
Narben im Sand – Svenja Leiber: Kazimira
„[…] wein, mein Söhnchen. Dass Du wieder weich wirst, sonst kannst du nicht leben.“ So beschwört Protagonistin Kazimira ihren Sohn Ake. Denn auch er trägt die Narben der Geschichte am eigenen Leib. In ihrem mittlerweile fünften Roman präsentiert sich Svenja Leiber als Autorin einer aufwändig recherchierten, nüchtern präsentierten und zugleich erschütternden Geschichte. Alles getragen von einer Frau, die, der Zeit enthoben, für viele weibliche Schicksale steht und einer Umgebung, die der Verwüstung ebenso ausgesetzt ist, wie die dort lebenden Menschen.
Migrant*innen ohne Eigenschaften – Nadire Biskin: Ein Spiegel für mein Gegenüber
Muss man sich individuelle Erfahrungen leisten können? Nadire Biskin baut ihren Debütroman jedenfalls auf dieser These auf. Und sie scheint davon so überzeugt zu sein, dass sie pädagogisch auf ihr Publikum im Sinne dieser Einsicht einzuwirken versucht. Dabei kann schwerlich ein guter Roman herauskommen.
Probleme sind nur dornige Chancen – Jakob Augstein: Strömung
Auch wenn Strömung das literarische Debüt von Jakob Augstein ist, handelt es sich bei ihm keinesfalls um einen Neuling im Literaturbetrieb: Als Verleger, Kolumnist, Journalist und Sachbuchautor hat er einen festen Platz innerhalb der deutschen Medienlandschaft. Für seinen ersten Roman wählt Augstein eine Charakterstudie mit satirischen Zügen: Strömung erzählt vom Aufstieg und Fall des Franz Xaver Misslinger, einem redegewandten und nach Macht strebenden Jungpolitiker, für den Probleme nur dornige Chancen sind. Dass dieser Ausspruch an Christian Lindner erinnert, ist kein Zufall: Misslingers gesamte Partei zeigt unübersehbare Parallelen zur FDP, auch wenn es sich nicht um einen Schlüsselroman handelt.