In seinem neuen Band begibt sich Ferdinand von Schirach in eine erzählende Sachlichkeit. Auf der Suche nach Erinnerungen, die das Vergangene bewahren oder aussparen. Der Stille Freund wird zum Grat, auf dessen Seiten Wahrheit und Wirklichkeit selten gleichzeitig beschienen werden oder unmerklich.
Schlagwort: Besprechung
Fremd im eigenen Tal – Julia Jost: Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
Was die jungen Jahre als Kind so alles mit sich bringen. Jede und Jeder hat so seine ganz eigenen Erfahrungen mit dem Leben im Hause der Eltern und der unfreiwilligen Nachbarschaft gemacht. Julia Jost schreibt einen Roman darüber, wie es sich als Kind angefühlt hat, die Gegend doch fremder zu erfahren, als es das eigene Leben darin ist.
Die unerträgliche Leichtigkeit des Scheins oder Ein Halbes leben – Terézia Mora: Muna oder Die Hälfte des Lebens
Terézia Moras neuer Roman Muna oder Die Hälfte des Lebens ist eine spannende Herausforderung für alle Leser und Leserinnen. In für sie ungewöhnlicher Weise präsentiert die Autorin hier in einen Text, dessen schonungsloses Erzählen die autobiographische Perspektive der Ich-Erzählerin nutzt, um das Erwachsenwerden einer jungen Frau zu portraitieren, die sich selbst in ihren Umständen gefangen hält und darüber hinaus kaum Freiheit in den eingeübten gesellschaftlichen Arrangements finden kann. Ein wenig naiv mag es einem vorkommen, aber ist es das wirklich?
Beseelte Heiterkeit – Ferdinand von Schirach: Regen
Ein typisches von Schirach-Buch könnte man meinen, mit Regen wieder in der Hand zu haben, aber gegen aller Gewohnheit inszeniert der Autor hier ein ganz anderes Genre, was dem Leser aber nicht unbedingt sofort auffällt.
Zerrüttende Verhältnisse – Christoph Geiser: Brachland
Mit Brachland liefert Christoph Geiser die Fortsetzung seines Familienromans Grünsee und den zweiten Band seiner Werkausgabe. Im Mittelpunkt des Romans steht der Vater. Ein gesellschaftlich angesehener Kinderarzt, der auch gerne im Mittelpunkt der Familie stehen würde, dort aber aufgrund seiner patriarchalen Ansprüche untergeht und schließlich als selbstgewählter Außenseiter im Elsass landet.
Großmutters Landschaft, eine zerfallende Familie – Christoph Geiser: Grünsee
Christoph Geisers Roman Grünsee ist der erste Band der Werkausgabe, aber nicht der erste Roman des Autors. Dennoch scheint die Wahl ein kluger Zug zu sein, denn dieser Roman bietet einen wunderbaren Einstieg in die literarische Welt Geisers und damit auch in die zweibändige Familienerzählung. Der Leser folgt hier einem personellen Ich-Erzähler, der durchaus als ein Alter Ego des Autors erscheint und aus dessen Sicht die doppelsträngige Erzählung präsentiert wird. Aber – und das ist große Kunst – der Erzähler drängt sich nicht zwangsläufig als Hauptfigur auf, vielmehr begleitet man ihn durch Vergangenheit und Gegenwart, in denen er jeweils seinen eigenen Platz hat. Wobei das Vergangene eine Familiengeschichte zeigt, die sich vor allem in und um das Feriendomizil seiner Großmutter in Zermatt dreht, während das Jetzt bedeutsam das Resultat aufzeigt.
Im Auge des Betrachters – Flora S. Mahler: Julie Leyroux
Wer ist Julie Leyroux? In ihrem gleichnamigen Debütroman nähert sich die Autorin Flora S. Mahler dieser Frage, ohne abschließende Antworten zu geben, und entwirft eine im wahrsten Sinne des Wortes kunstvolle Biographie einer faszinierenden, kaum greifbaren Künstlerinnenfigur.
Osterspaziergang – Jakob Nolte: Kurzes Buch über Tobias
Den Drang etwas Eigenes und Neues zu schaffen, den merkt man dem neuesten Roman von Jakob Nolte an. Der Autor experimentiert mit unterschiedlichen literarischen Formen, wehrt sich dabei gegen kanonische Bildung und treibt dabei seinen Text in einen Strudel milchiger Inhalte. Kurzes Buch über Tobias zeigt einen Ausschnitt aus dem noch jungen Leben seines Protagonisten Tobias, der mit Vielem zu kämpfen hat, und dessen Weg zu einem verqueren Bildungsroman führt.
„Menschgemansche“ – Olga Flor: Morituri
Über die Todgeweihten schreibt Olga Flor in ihrem heute erscheinenden Roman. Dabei begibt sich die Autorin nicht in die Antike, sondern bleibt im gegenwärtigen Österreich irgendwo auf dem Land in einem Dorf, neben dem ein Moor liegt. Im Zentrum der Geschichte steht der stadtflüchtige Maximilian, der sich auch nicht ganz so sicher ist, ob das Landleben ihn in seiner Einsamkeit nun glücklicher macht. Um ihn herum gruppiert sich eine Reihe von Dorfpersönlichkeiten. In ‚Morituri‘ webt Olga Flor die unterschiedlichen Figuren in einen Dorfalltag zusammen. Sie eint, dass sie alle unwissend ihrem Ende entgegenlaufen.
Im Widerhall – Iris Hanika: Echos Kammern
Im Zentrum von Iris Hanikas ‚Echos Kammern‘ stehen Sophonisbe, Roxana und Josh, die durch Zufall zueinanderfinden. Mit dieser Konstellation entwirft die Autorin in ihrem jüngsten Roman die Geschichte von Echo und Narziss neu; sie überführt die ovid’sche Erzählung in einen modernen Kontext und erprobt dabei verschiedene Textformen. Vieles gelingt ihr so gut, dass der Roman insgesamt mehr ist als ein gelungenes Experiment.










